Sleepless at 6000 meters

Gianin Müller

Gianin Müller

Tagebuch von Gianin Müller

“Camping, Camping das ist meine Welt,
Camping, Camping unterm Himmels Zelt!”

 

 

 

So lautet der Text aus einem Ohrwurm aus den 70er Jahren. Als Fan von Naturerlebnissen trifft dieser Text natürlich genau meinen Gusto – wenn da nicht diese 6000 Meter wären…
Um 17.30 war das Dinner für die Probandem angesagt, d.h. eine Stehparty bei -15 Grad. Wir verzogen uns in die Zelte und richteten uns für eine lange Nacht ein.

Ich steckte Wärmebeutel in die Socken und ging in meinem Schlafsack auf Tauchstation. Schon bald meldeten sich erste Anflüge von Kopfweh. Besser früh reagieren, dachte ich und warf ein Irfen ein. Nun begann ich erste Unebenheiten unter meinem 3 cm Thermarestmätteli zu spüren. Mit Bewegungen formte ich mir mein Happybett. Einfacher gesagt als getan! Unterdessen war es 22.30 geworden. Alles kein Problem, dachte ich, aber der Schlaf wollte mich einfach nicht packen. Das Poltern von Gletscherabbrüchen oder Lawinen am Gegehang schreckte mich auf. Ich erinnerte mich, dass Schäfchenzählen eine gute Methode sein soll. So begann ich die Zeltform dieser Einschlafmethode zu wählen: Quadrätchen am Zeltdach zählen! 23.45: ich war bei 874 Quadrätchen angekommen, aber vom Schlaf noch keine Spur.
Das Kopfweh war unterdessen stärker geworden und verstärkte sich hinter meinem rechten Auge. Gianin, was machst du eigentlich hier, fragte ich mich und stellte mir ernsthaft die Sinnfrage. Ich begann schöne Bilder abzurufen. Eine mehrtägige Wanderung im Engadin oder ein Sonnenbad an einem Traumstrand auf den Malediven. Das wirkte, denn ich musste kurz eingeschlafen sein.

Genau in diesem Moment meldete sich meine Blase! Also los auf die Knie und in die Pissflasche pinkeln. Mit dem Schlaf war es also nicht weither gewesen… 02.15: in anderen Zelten schien auch Betrieb zu sein, denn ich hörte trockenes Husten oder das Surren von Reissverschlüssen. Wie ging es wohl meinem Zeltgspändli Viktor? Ich lauschte in die Nacht hinaus. Nichts war zu hören, keine Atemzüge! Ich begann mir ernsthaft Sorgen um ihn zu machen. Endlich der erlösende tiefe Atemzug. Atemaussetzer sind in dieser Höhe an der Tagesordnung. 04.25: Zum ersten Mal kamen bei mir Gedanken ans Aufgeben auf. Gianin, du bist ein Weichei! Der bevorstehende Abstieg “nach Hause” ins Basecamp brachten diese Gedanken wieder zum Verschwinden.
Kurzerhand steckte ich mir die Stöpsel in die Ohren und liess mich mit meinen Motivationssong für schwierige Momente “I feel happy” von den Bluesaholics berieseln. Die ersten Sonnenstrahlen auf der Zeltwand gaben mir die Gewissheit, dass ich praktisch nicht geschlafen hatte. Den Mut habe ich allerdings nicht verloren: Himlung, ich komme wieder!
(Während ich diese Aufzeichnungen verfasse, sitzen wir tief eingeschneit im Basecamp!)

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