Jedem sein Gipfel – oder: Um zu sehen wie weit es geht und dass es möglich ist

Viktor Laube

Viktor Laube

Tagebuch von Viktor Laube

Nun sind wir also alle wieder zurück vom Berg, ein Teil bereits auf dem Rückwegtrecking, der andere Teil heute gegen Mittag wieder eingetroffen im Basecamp: Einiges haben wir erlebt und es kann gesagt werden, dass in solchen Höhen neben Wetter, Wind, Temperatur, eigener Befindlichkeit, Tagesform und Zusammenarbeit am Berg so vieles verstärkt wird, dass es von unterschiedlichsten Faktoren abhängt, wer und ob man am Ende auf der höchsten Spitze steht – und bis dahin in Folge dieser Höhe vieles in der Superlative erlebt wird.

Doch erstmal der Reihe nach: Vorgestern Montag machten wir uns bei strahlendem Sonnenschein auf den langen Aufstieg von Lager II auf 6’200 m hinauf zum vorgeschobenen Lager III auf nun 7’050 m. Die eigenen Rucksäcke waren gefüllt mit den deponierten Sachen von Lager I & Lager II, mit dem gesamten persönlichen Material, was für die Höhe und eine Nacht über 7’000 m benötigt werden könnte, da die Sherpas mit dem vielem Forschungsmaterial bereits vollends ausgelastet waren.

So forderten das Gewicht und die Höhe ihr Tribut und als die Gruppe II, die eine Stunde nach der ersten Gruppe losgelaufen war, nach einem Wetterumschwung bei – 30 Grad und zusätzlich verstärkenden Wind in einer Windausgesetzen Flanke auf die erste Gruppe auflief, da stellte sich die Frage, ob man versuchen sollte zu überholen – was einerseits als Unanständigkeit aufgefasst werden könnte und zum Verlassen des sicheren Fixseiles zwingen würde – oder ob man sich wartend am Fixseil hinten anstellen sollte, in der Hoffnung, dass es sodann bald weiter gehen würde… Um nun noch etwas Wärmeres anzuziehen war es nun in Folge des Windes zu spät und da ich mich für die zweite Variante entschied, war ich in der Folge beschäftigt damit, so gut wie möglich meine Nase, Füsse und Hände warm zu behalten, was jedoch in Folge der Stockung immer schlechter gelang. So erreichte ich bei Nachteinbruch, als fünfter und letzter meiner Gruppe, erschöpft und ziemlich frierend, dennoch das Lager III für meine erste Nacht über 7’000 Meter.

Obwohl ich mich sofort in den Schlafsack begab (mit meinem Rucksack als unbequemes Kissen) erlebte ich eine eher unruhige Nacht: Schuld daran war der Versuch dieses Tages gewesen, die Bügel meiner Sonnenbrille mit dem Gummiband zu tauschen und dieses für eine gute Belüftung ziemlich locker zu lassen. Die gegen Tagesende einsetzende, akute Schneeblindheit liess mich in jedem Auge während der ganzen Nacht einen stechenden Schmerz verspüren, begleitet von ständigem Tränenfluss. Als ich am nächsten Morgen die Augen vorsichtig zu öffnen versuchte, nahm ich alles nur verschwommen war. In diesem Zustand konnten dennoch alle möglichen Forschungstests auf über 7’000 m absolviert werden und die Forschungsleitung und der Expeditionsarzt gaben ihr okay, die noch verbleibenden nicht mehr ganz hundert Höhenmeter vom neuen Lager III auf den Gipel, ohne Gepäck und gesichert am Fixseil noch aufzusteigen. Als ich so die letzte rund halbe Stunde noch in Angriff nehmen wollte, wurde ich jedoch vom Bergführer der anderen Gruppe aufgehalten, wobei eine kurze Diskussion über Risiko, Selbsteinschätzung, Verantwortlickeiten und Sicherheit am Berg der zuständigen Bergführer entstand.

Im Bewusstsein, dass er einerseits nicht unrecht hatte, aber auch dass diese letzten nicht ganz hundert Höhenmeter andererseits auch als “Halbblinder” an diesem Tag noch machbar gewesen wären – bereichert zudem mit all den zahlreichen Eindrücken der letzten Tage, meiner ersten Nacht über 7’000 m, gleichzeitig froh darüber, den Vorabend gesundheitlich sonstwie gut und ohne irgendwelche weitere oder längeranhaltend körperlichen “Erinnerungen” überstanden zu haben – beschloss ich nichts weiter herauszufordern und den Abstieg mit dem schweren Rucksack, noch bei Sonnenschein in Angriff zu nehmen: Die Nacht im Lager II tat meinen Augen gut und so kam ich heute erfreut über all das Erlebte sowie wieder vollständig gesund und munter (und froh, den schweren Rucksack loszuwerden) im Basecamp wieder an. Nun ist die grosse Reisetasche zum Verlad auf die Esel bereits gepackt, so dass wir morgen die Rückreise nach Kathmandu starten können. In Erwartung auf ein paar noch spannende Tage, grüsst bestens aus dem Basecamp. Viktor

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